Die roten Schuhe -
eine Frage des Standpunkts

 

 

Fuß- und Schuhsymbolik

Der Fuß erschien bereits zu uralten Zeiten wertvoller und schätzenswerter als beispielsweise der Arm. Die Füße tragen den Körper; die Gesundheit des Fußes war lebenswichtig. War der Fuß krank oder schwach, war der ganze Mensch gehemmt, ja gefesselt. Zahlreiche Re-dewendungen, z. B. auf eigenen Füßen stehen, festen Fuß gewinnen usw., belegen die Wich-tigkeit des Fußes.

Die Symbolik des Fußes ist vielfältig. Schon bei den alten Ägyptern war er ein Sinnbild für das Leben überhaupt, für eine glückliche Wanderung durch das Leben und für eine gute Heimkehr. Man fand selbständige Fußdenkmäler mit dem Haupt des Sarapis oder des Asklepios, die den Fuß als Symbol der Heilung bzw. erneuter Lebenskraft darstellen.

Der Fuß ist andererseits ein Zeichen der Macht, der Herrschaft und des Rechts. Was man mit dem Fuß tritt, ist einem untertan. Die Römer setzten dem Sklaven den Fuß in den Nacken. Aus solchen Vorstellungen (der Fuß als Symbol von Macht und Herrschaft) ergibt sich die Bedeutung des Fußkusses. Er drückt größte Unterwürfigkeit aus.

Der Fuß als Sinnbild des Segens und der Fruchtbarkeit

Der Fuß verband den Menschen mit der Segen spendenden mütterlichen Erde. Ihre Kraft ging durch die Füße auf den Menschen über. Die Frau ist das sichtbare kleinere Abbild der Leben spendenden, gebärenden Erde; die Fruchtbarkeit der Urmutter Erde geht auf ihr Abbild über. Dabei ist der Fuß das Organ, das diese Fruchtbarkeit überleitet. So wird der Fuß der Frau - später auch der des Mannes - Symbol für den Segen und die Fruchtbarkeit der Götter.

Mythen erzählen von verschiedenen Orten, an denen göttliche Frauen ihre Fußspuren hin-terließen, so z. B. in Mägdesprung im Harz. Solche Fußabdrücke auf Felsen oder an Quellen wurden von den Völkern als Heiligtümer verehrt. Die Füße in die Fußstapfen oder in die heiligen Quellen zu stecken sollte die Segen spendende Wirkung verstärken. In den Legen-den der Völker heißt es vielfach, dass den Fußspuren der Göttin oder des Heroen Blumen und Früchte entsprießen.

In der griechischen Mythologie spielt bei der Geburt des Dionysos das Bein sogar eine be-deutendere Rolle als die Genitalien. Er soll aus dem Schenkel des Zeus geboren sein. Die geschlechtliche Kraft der Erde wohnte in den Füßen und wurde über die Beine in die Geni-talien geleitet. Im alten Glauben der Völker galt der obere Teil des Beins als der Ort, wo sich die fruchtbare Kraft ansammelt. Interessant dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass das Wort femina (= Frau) von femur (= Schenkel) abgeleitet ist.

Eine tatsächliche Verbindung der Beine mit den Genitalien mag der Mensch allerdings schon in alten Zeiten beobachtet haben: Menschen mit verkrüppelten Füßen erschienen wollüstiger als die mit normal entwickelten. Das Blut, das sich am Fuß staut, dringt vielleicht kräftiger in die Genitalien und steigert die Lust auf natürliche Weise. Darüber hinaus sagte man den chinesischen Frauen nach, deren Füße vom dritten bis zum siebten Lebensjahr gebunden wurden, dass ihre Genitalien übermäßig vergrößert wären.

Auch der merkwürdig unbeholfene Gang, der durch solche Verkrüppelungen entstand, galt als starkes Stimulationsmittel. Indische Frauen sollen sogar darin geschult worden sein, wie man sein Hinterteil effektvoll schaukeln lässt. Heutzutage und vor allem in unserer Kultur behelfen sich Frauen mit hohen Schuhen, um durch einen "wedelnden" Gang Männerblicke auf sich zu ziehen.

Der Fuß war auch wegen der Erntearbeit Symbol des Fruchtbarkeit, insbesondere des Ern-tesegens. Früher wurden die Garben ausgetreten, nicht ausgeschlagen. Die stampfenden Bewegungen scheinen erotische Assoziationen ausgelöst zu haben. Sie galten als Aphrodisiakum für die Bauernmädchen.

Ein anderes Moment, den Fuß mit dem Erotischen zu verknüpfen, sind körperliche Reaktionen auf eine Reizung der Nervenzellen am Fuß. Man beobachtete eine Steigerung des Wollustgefühls. Russische Zarinnen beschäftigten Frauen, deren einzige Aufgabe es war, der Herrin die Fußsohlen zu kitzeln.

Lange Zeit galt es als unschicklich, seine nackten Füße zu zeigen. Bis ins letzte Jahrhundert hinein machten sich viele Männer einen Spaß daraus, bei Regen spazieren zu gehen. Nur wenn Frauen wegen schlechten Wetters ihre Röcke hoch heben mussten, bot sich die Gelegenheit, nackte Beine zu sehen. Allein das Gewahr werden galt als unanständig. Zudem schürte der sichtbar gewordene Teil das Interesse am noch verhüllten und verstärkte den sinnlichen Reiz. Die Spanierinnen des XVI. und XVII. Jahrhunderts spielten durchaus mit den Reizen ihres Oberkörpers, doch ein Fremder durfte keinesfalls einen Blick auf ihre Füße erhaschen. Als Isadora Duncan 1905 mit Berliner Schülerinnen auftrat, verbot die Polizei die Aufführungen zunächst, weil die Tänzerinnen barfuß waren; später wurden Auftritte in geschlossenen Veranstaltungen möglich.

Die Symbolik des Schuhs

Die Fußbekleidung wurde ebenfalls zum Symbol der Fruchtbarkeit. Die Sandale als Sinnbild weiblicher Fruchtbarkeit kam von Vorderasien nach Ägypten und Griechenland. Im germanischen Volksglauben wurde der Schuh sehr deutlich zum Sinnbild des weiblichen Geschlechts. Man schlüpft mit dem Fuß in den Stiefel; aus dieser Tatsache und etwas Phantasie entwickelten sich alte Volksgebräuche, Rätsel, Sprichwörter oder obszöne Lieder.

Für Fuß- und Schuhfetischisten gibt es verschiedene Gründe, dem Reiz des Fußes zu verfallen. Dem einen gefällt die Idee, sich zu unterwerfen oder dominiert zu werden; der andere empfindet höchste Lust, wenn er auf Frauenfüße tritt. Wie vorher dargestellt sind Fuß und Schuh bereits von der Form her erotische Symbole, die durch Farbe und Geruch noch anziehender wirken können. Das Schuhwerk muss eng und zierlich sein und vor allem hohe Hacken haben. Der Gang der Frau erregt dann noch stärker.

Der Schuh ist auch ein Sinnbild des Lebensglücks überhaupt. Im Schuh konzentriert sich die Lebensmacht. Er hat mehr als jedes andere Kleidungsstück Duft, Schweiß und Wärme des Körpers in sich aufgenommen. So erklärt sich ein Liebeszauber: Ein Liebender entwendet dem geliebten Mädchen einen Schuh. Er trägt ihn selbst acht Tage, vermischt sein Wesen also mit dem ihren und gibt ihn ihr zurück. Wenn das Mädchen den Schuh nun trägt, soll sie spüren, dass sie zu diesem "Dieb" gehört: Sie muss sich ihm liebend zuwenden.

Fuß und Schuh sind uralte und weit verbreitete erotische Symbole. Sie stammen aus dem Zeitalter des Matriarchats und haben ihren Ursprung in Vorderasien. Die Frau wurde als das Abbild der fruchtbaren Erde betrachtet; besonders mit ihrem Fuß verband man den heiligen Vorgang des Gebärens. Die Sinnbilder des Zeugens und Gebärens, die man in heidnischen Zeiten wie den Akt selbst als Ausdruck göttlicher Lebenskraft sah, verwandelten sich im Christentum zum Sündhaften und Gemeinen. Daraus lässt sich erklären, dass sich in manche geschlechtliche Symbolik Zynismus und Frivolität einschlich.